Menschen mit Diabetes leiden doppelt so oft unter einer Depression wie die Normalbevölkerung. Circa 10 Prozent aller Menschen mit Diabetes haben eine depressive Störung, nahezu jeder dritte Diabeteserkrankte weist eine erhöhte psychische Belastung auf. Dabei zeigt sich ein bidirektionaler Zusammenhang: Einerseits erhöht die Depression das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, andererseits gehen die Belastungen der körperlichen Erkrankung und der intensiven Behandlung einher mit der Entwicklung von seelischen Anpassungsstörungen und depressiven Symptomen. Häufig entwickelt sich ein Kreislauf: Je stärker der Patient körperlich belastet ist, umso häufiger entwickelt er eine depressive Symptomatik, und diese wiederum verstärkt die Wahrnehmung der körperlichen Beschwerden.
Die depressive Symptomatik verstärkt die Einschränkungen, die sich durch den Diabetes ergeben. Sie ist bei Menschen mit Diabetes verbunden mit einer erheblichen Reduktion der Lebensqualität, einer geringeren Therapiezufriedenheit, einer höheren Rate beruflicher Einschränkungen und erhöhten Kosten in der medizinischen Versorgung. Diabeteserkrankte Patienten stellen ihren Stoffwechsel ungünstiger ein und haben einen ungesünderen Lebensstil mit Bewegungsmangel und Nikotinabhängigkeit, soweit sie eine depressive Symptomatik haben. Auch gibt es mittlerweile eine Reihe von Langzeitstudien, die darauf hinweisen, dass Diabeteserkrankte mit depressiver Symptomatik eine erhöhte Sterblichkeitsrate gegenüber Diabeteserkrankten ohne Depression haben.
Daher kommt der Diagnostik von depressiven Symptomen und Störungen in der Versorgung von Menschen mit Diabetes eine wichtige Rolle zu. Im Deutschen Gesundheitspass Diabetes ist eine Kurzskala eingearbeitet, in der die Patienten selber prüfen können, ob sie sich zur Abklärung einer Depression an einen Arzt wenden sollen (siehe nächste Seite). Dieser kann mit Hilfe von zwei Fragen klären, ob eine depressive Symptomatik vorliegt.
Die nun überarbeiteten Leitlinien zur Behandlung der depressiven Symptomatik bei Menschen mit Diabetes empfehlen den Patienten eine psychotherapeutische Behandlung oder eine psychopharmakologische Therapie. Bei sehr schwer ausgeprägten Depressionen ist die Kombination aus beiden Therapien angezeigt. Ist die depressive Symptomatik Folge der Auseinandersetzung mit der körperlichen Erkrankung, so ist es zentral, dass Therapeuten die somatopsychischen Wechselwirkungen in der Behandlung beachten. Zentraler Baustein dieser Behandlung ist es, die Ressourcen der Patienten im Umgang mit der Erkrankung zu fördern. Das Ziel ist es, die depressive Symptomatik zu reduzieren, die Lebensqualität zu steigern, aber auch den Patienten in der Bewältigung der körperlichen Erkrankung zu unterstützen.
Quelle:Professor Dr. med. Johannes Kruse, Ärztlicher Direktor der Kliniken für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätskliniken Gießen und Marburg; Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), Redemanuskript zur Pressekonferenz Psychosoziales und Diabetes am Dienstag, 18. Juni 2013, 11.00 bis 12.30 Uhr, Berlin