In Deutschland leben etwa 30 000 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 19 Jahren mit Diabetes Typ 1. Diese sind genauso leistungsfähig wie Kinder ohne Diabetes, wenn gewisse Regeln beachtet werden. Trotzdem scheuen Lehrer vor einer Betreuung diabeteskranker Kinder in der Schule mitunter zurück. Sie fürchten sich vor rechtlichen Konsequenzen bei etwaigen Fehlern, falls sie einem Schüler beim Insulinspritzen oder im Notfall helfen. Ob und inwieweit für Lehrkräfte eine Verpflichtung besteht, Schüler mit Diabetes beim Insulinspritzen zu unterstützen, hängt von den einschlägigen Schulgesetzen, den beamtenrechtlichen Regelungen der Bundesländer und den Erlassen der Kultusministerien ab. diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe fordert eine bundesweit geltende Regelung.
„Kinder mit Diabetes Typ 1 sind in der Schule genauso leistungsfähig wie gesunde und im Umgang mit ihrer Erkrankung in der Regel gut geschult“, erläutert Professor Dr. med. Thomas Danne, Vorstandsmitglied von diabetesDE und Chefarzt des Kinderkrankenhauses „Auf der Bult“ in Hannover. Auch am Sportunterricht und Ausflügen können und sollen sie grundsätzlich teilnehmen: „Es gibt auch hierbei keinen Grund, ihnen eine Sonderrolle in der Schule zuzuschreiben und sie davon auszuschließen“, ergänzt Dr. med. Ralph Ziegler, Vorstandsmitglied der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie (AGPD) und niedergelassener Kinderdiabetologe aus Münster.
Doch ist Lehrern im Umgang mit diabeteskranken Kindern häufig unklar, ob und in welchem Maße sie Verantwortung übernehmen können und dürfen, sei es im Klassenraum, in der Sporthalle oder auch bei außerschulischen Veranstaltungen. Was ist, wenn ein Schüler mit Diabetes Typ 1 Hilfe beim Blutzuckermessen und Insulinspritzen benötigt und dem Pädagogen dabei ein Fehler unterläuft? Wie verhält es sich in Notfallsituationen, zum Beispiel bei einer Unterzuckerung? Drohen rechtliche Konsequenzen bei falschem Handeln aufgrund unzureichenden medizinischen Wissens? Der Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) erläutert in seiner Broschüre „Medikamentengabe in Schulen“ (BG/GUV-SI 8098): „Tritt ein Notfall ein, […], sind alle Personen gesetzlich verpflichtet, Hilfe zu leisten.“ Dabei stünden Helfende gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Somit seien Hilfe leistende Lehrkräfte davon befreit für Schäden zu haften, die etwaig durch ihre Hilfeleistung entstehen.
Ob und inwieweit für Lehrkräfte eine Verpflichtung besteht, Schülern mit Diabetes beim Insulinspritzen zu helfen und inwieweit sie im Rahmen ihres Dienst- beziehungsweise Beschäftigungsverhältnisses damit betraut werden können, hängt von den einschlägigen Schulgesetzen, den beamtenrechtlichen Regelungen der Bundesländer und den Erlassen der Kultusministerien ab. „Hier fordern wir eine bundeseinheitliche Regelung, um Unsicherheiten bei Eltern und Lehrern abzubauen und Kinder mit Diabetes Typ 1 optimal in den Schulalltag integrieren zu können“, so Professor Danne und Dr. Ziegler.
Übertragen Erziehungsberechtigte in Absprache mit der Schule die Medikamentengabe als Teil der Personensorge auf eine Lehrkraft und erleidet der Schüler durch fehlerhafte Medikamentengabe einen Schulunfall, gelten laut DGUV die Regelungen zur Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff. SGB VII: Danach sei eine zivilrechtliche Haftung der Lehrkraft auf den Ersatz für den entstandenen Personenschaden grundsätzlich ausgeschlossen. Außerdem seien angestellte Lehrer gesetzlich unfallversichert, falls sie sich bei der Medikamentengabe, zum Beispiel am Pen, selbst verletzen. Dies stelle einen Arbeitsunfall dar. Bei beamteten Lehrern seien in diesem Fall die beamtenrechtlichen Regelungen zur Dienstunfallfürsorge anzuwenden.
Im Rahmen der politischen Kampagne „Diabetes STOPPEN – jetzt!“ fordert diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, dass Kinder mit Diabetes Typ 1 genauso wie erwachsene Menschen mit Diabetes nach dem Prinzip der Inklusion das volle Recht auf individuelle Entwicklung und soziale Teilhabe ungeachtet ihrer persönlichen Unterstützungsbedürfnisse erhalten.
Quelle: Deutsche Diabetes-Hilfe
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