Diabetespatienten sind besonders gefährdet, einen Burnout zu erleiden. Das Erschöpfungssyndrom kann wiederum die Stoffwechselerkrankung negativ verstärken und zur Entgleisung der Blutzuckerwerte führen. Bei Anzeichen von Überforderung sollten die Patienten daher ihren Arzt aufsuchen und gegebenenfalls eine Beratung in Anspruch nehmen. „Bereits eine zehnstündige Kurztherapie kann erfolgreich Stress reduzieren und die Lebensqualität verbessern“, erklärt Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Die Wirksamkeit dieser Kurzintervention belegen laufende Studien.
Die kranke Mutter braucht Pflege, im Beruf häufen sich die Probleme – und dann kommt auch noch der Diabetes hinzu. „Diabetes ist eine chronische Erkrankung, für die man jeden Tag etwas tun muss“, erläutert Privatdozent Dr. phil. Dipl. Psych. Bernhard Kulzer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie bei der DDG. „Das bedeutet zusätzlichen Stress, der in eine Überforderungssituation führen kann.“ Fachleute sprechen auch vom Diabetes-related distress.
Symptome eines Burnouts zeigen sich auf der Gefühls- und der Verhaltensebene. So sei Aufmerksamkeit angebracht, wenn sich die Einstellung zur Erkrankung ins Negative wandelt. „Der Diabetes läuft nicht mehr nebenbei, er wird zur Last, kostet mehr Energie als zuvor“, beschreibt Kulzer erste Anzeichen. Auch auf der kognitiven Ebene dominiert Abwehr. „Man denkt über das Diabetesmanagement in zunehmend negativen Kategorien: Das Messen nervt, ich will die Werte gar nicht sehen, schon wieder schlechte Werte“, erläutert der Fachpsychologe.
Hinzu kommen Verhaltensänderungen. Die Patienten essen mehr, treiben weniger Sport, rauchen stärker. „Bis die Betroffenen das Insulin nicht mehr nach dem gewohnten Schema spritzen, sondern in unregelmäßigen Abständen“, so Kulzer. Spätestens jetzt wird es für die Gesundheit gefährlich, weil die Blutzuckerwerte steigen und entgleisen können. Erhöhte Werte wiederum beeinträchtigen das Wohlbefinden, was den Umgang mit der Krankheit weiter verschlechtert – ein Negativkreislauf entsteht.
Wer Anzeichen eines Burnouts bemerkt, sollte einen Diabetesberater oder Diabetologen aufsuchen. Ein Fragebogen-Test, der unter www.diabetes-psychologie.de/downloads/PAID.pdf zum Download bereitsteht, gibt eine erste Orientierung, ob eine Gefährdung vorliegt. „Ist dies der Fall, hilft eine strukturierte Beratung, Veränderungsprozesse anzustoßen“, erklärt Kulzer. Die Diabetes-Akademie Bad Mergentheim hat dazu im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium finanzierten „Kompetenznetzes Diabetes“ die zehnstündige Kurztherapie „DIAMOS“ („Diabetesmotivation stärken“) entwickelt. Moderne Diabetesschulungen bieten ebenfalls häufig Unterstützung.
Ziel der Beratung ist, Stressquellen zu beseitigen und Ressourcen zu stärken. Zu häufigen Stressquellen zählt etwa die mangelnde Fähigkeit, nein zu sagen oder ein übertrieben perfektionistischer Umgang mit Diabetes. „Einige Patienten versuchen, jeden Diabeteswert zu erklären“, erläutert Kulzer. „Doch die Erkrankung ist nicht hundertprozentig kontrollierbar.“ Auch die Verheimlichung des Diabetes am Arbeitsplatz kann belasten. „Häufig ist es einfacher, sich zu outen. Dann kann man entspannt auch im Beisein von Kollegen messen und essen“, berichtet der Experte.
Gemeinsam mit dem Berater sollten Betroffene in fünf Schritten Probleme identifizieren, Lösungsstrategien erarbeiten, negative Einstellungen verändern und Ressourcen aktivieren. „Am Ende steht eine Vereinbarung über konkrete Schritte, wie man Belastungen im Alltag reduzieren kann“, so Kulzer. Dass dies funktioniert, zeigt eine DIAMOS-Studie: Die Kurz-Intervention konnte die Lebensqualität bei Diabetespatienten erfolgreich verbessern.
Quelle: www.deutsche-diabetes-Gesellschaft