Vier von fünf Diabetikern kennen das Gefühl, wenn plötzlich der „Treibstoff“ ausgeht, weil zu wenig Zucker in der Blutbahn kursiert: Der Kopf schmerzt, die Konzentration schwindet, man ist verstimmt oder reizbar, unruhig oder ängstlich, man schwitzt, zittert und das Herz schlägt bis zum Hals. Die Diagnose lautet dann: Unterzuckerung. Gehirn und andere wichtige Organe sind in ihrer Funktion eingeschränkt. In schweren Fällen können Sprach-, Seh- und Gleichgewichtsstörungen folgen, ja sogar Krampfanfälle bis hin zur Bewusstlosigkeit. Schnelles Handeln im Fall des Falles ist deshalb ebenso wichtig wie die vorbeugende Schulung der Wahrnehmung und die Auswahl geeigneter Medikamente für besonders anfällige Diabetiker.
Ein leichtes Schwindelgefühl lässt sich zwar durch ein oder zwei Stück Traubenzucker schnell wieder vertreiben. Die Alarmsignale des Körpers können aber auch Vorboten für eine Vielzahl weiterer Beschwerden sein. Sie signalisieren, dass dem Diabetiker Folgeschäden drohen, wenn es ihm nicht gelingt, seine Krankheit durch eine angepasste Lebensweise und mithilfe von Medikamenten zu kontrollieren. Häufige Unterzuckerungen stehen möglicherweise auch mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko in Verbindung.
Schnell reagieren und den eigenen Körper besser kennenlernen
Schon bei den ersten Anzeichen für eine Unterzuckerung sollten Diabetiker sofort ein bis zwei Broteinheiten (BE) schnell wirkenden Zucker zu sich nehmen – das entspricht etwa zwei bis vier Plättchen Traubenzucker oder einem Glas Cola, Fruchtsaft oder Limonade. Wichtig ist, dass Diät-Limonade oder Diät-Produkte hier nicht helfen, da sie kaum Zucker enthalten. Wer zur Unterzuckerung neigt, sollte den Traubenzucker immer griffbereit haben und an der gleichen Stelle aufbewahren, damit er im Notfall schneller gefunden wird. Dies gilt nicht nur für die besonders anfälligen Typ-1-Diabetiker, sondern auch beim Typ-2-Diabetes, bei dem einer aktuellen Umfrage zufolge knapp jeder Vierte die Anzeichen einer Unterzuckerung täglich oder an mehreren Tagen in der Woche verspürt.
Unsicher? Dann helfen ein Unterzucker-Tagebuch und spezielle Übungen
Elf Prozent der Befragten gaben in der Umfrage an, dass sie durchaus Angst vor einer Unterzuckerung haben. Wen die Unsicherheit quält, kann zu Hilfsmitteln greifen. Da ist zum einen das Unterzuckertagebuch, in dem Zeitpunkt und Schwere aller möglicher Unterzuckerungsgefühle notiert werden. Dies schult das Gefühl für den eigenen Körper. Dabei erfüllt es aber noch einen anderen wichtigen Zweck: Das Tagebuch kann eine wertvolle Hilfe im Gespräch mit dem Arzt sein. Ein Tagebuch zur Dokumentation der Blutzuckerwerte und Unterzuckerungen gibt es zum Herunterladen auf www.diabetes-behandeln.de . Man kann es am Computer ausfüllen, ausdrucken und mit zum Arzt nehmen, oder ihm direkt per E-Mail zusenden.
Zum anderen ist die Schulung der eigenen Wahrnehmung und des Gefühls zu empfehlen. Solche Übungen sind entweder körperlich möglich, zum Beispiel das Balancieren auf einem Bein oder der Fingerspitzen-Test. Oder man überprüft die so genannte Kognition, also das Denkvermögen, zum Beispiel mittels Kopfrechnen oder lautem Vorlesen. Das ganze Spektrum der Möglichkeiten ist auf der Website www.diabetes-behandeln.de mit genauen Anleitungen zu finden. Wichtig dabei: Alle Übungen sollten zuerst im stabilen Zustand, also bei normalen Zuckerwerten, durchgeführt werden, um dann bei Unterzuckerung den Unterschied zu spüren. Beispiel Fingerspitzen-Test: Hier werden die Zeigefinger beider Hände bei ausgestreckten Armen und geschlossenen Augen langsam aufeinander zugeführt. Treffen sich die Finger zwar bei normalem Blutzuckerspiegel, aber nicht bei Unwohlsein, deutet dies auf eine Unterzuckerung hin, und es können Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Bekannt ist, dass manche Patienten vermehrt zur Unterzuckerung neigen.
Wer Insulin spritzen muss, ist besonders gefährdet, und auch unter den bei Diabetes häufig verschriebenen Sulfonylharnstoffen besteht ein Unterzuckerungsrisiko. In vielen Fällen kann dieses Risiko jedoch durch den Wechsel des Medikaments verringert werden. Mit Arzneien aus der Klasse der Inkretinverstärker, zum Beispiel Sitagliptin, ist das Risiko einer Unterzuckerung äußerst gering. Dieser Wirkstoff kann zudem bei der Behandlung des nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2 langfristig eine Verbesserung des Zuckerstoffwechsels bewirken. Die Arznei muss im Regelfall nur einmal täglich in einer Einzeldosis von 100 Milligramm eingenommen werden. Außerdem könnte die Häufigkeit der bei Unterzuckerung sonst notwendigen Blutzuckerkontrollen reduziert werden. Durch die Minimierung des Unterzuckerungsrisikos wird die bei Diabetes oft komplizierte Ernährung und Einstellung einfacher und der Patient hat eine größere Sicherheit im Alltag.
Kontakt: Christiane Schrix,