Diabetes geschlechtsspezifisch behandeln: Frauen aus niedriger Sozial- und Bildungsschicht haben höheres Erkrankungsrisiko

Diabetes ist eine chronische Erkrankung, bei der sowohl biologische wie auch psychosoziale Faktoren eine große Rolle spielen. So haben Menschen mit einem niedrigem Sozialstatus und Bildungsgrad ein höheres Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Bei Frauen ist der Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und dem Auftreten von Übergewicht und Typ-2-Diabetes höher als bei Männern. Frauen mit Diabetes geben meist auch eine schlechtere Lebensqualität als betroffene Männer an. Was geschlechtsspezifische Unterschiede für die Erkennung und Behandlung von Diabetes mellitus bedeuten, diskutieren Experten beim Diabetes Kongress 2013, der 48. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft, unter dem Motto „Forschung von heute für die Praxis von morgen“ vom 8. bis 11. Mai 2013 in Leipzig. Universitäts-Professorin Dr. med. Alexandra Kautzky-Willer von der Medizinischen Universität Wien stellt dieses Thema im Rahmen der Kongress-Pressekonferenz am Freitag, den 10. Mai 2013 in Leipzig vor.

Für die Entstehung und den Krankheitsverlauf von Diabetes mellitus sind unter anderem die erbliche Veranlagung, Sexualhormone, aber auch der Einfluss von Gesellschaft, Kultur und Geschlechterrollen bedeutsam. Dies zeigt sich etwa an Unterschieden im Lebensstil zwischen Frauen und Männern: „Frauen haben den Fokus mehr auf Diät und interessieren sich mehr für Vorsorge, während für Männer körperliche Bewegung und Sport im Gesundheitsbewusstsein einen wichtigeren Stellenwert haben“, sagt Universitäts-Professorin Dr. med. Alexandra Kautzky-Willer, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien. Ein niedriger Sozialstatus und schlechte Bildung sind mit einem höheren Risiko für Diabetes verbunden, wobei der Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und dem Auftreten von Übergewicht und Typ-2-Diabetes bei Frauen stärker ist. Unterschiede sind auch hinsichtlich der Lebensqualität und des seelischen Wohlbefindens erkennbar, wie Univ.-Prof. Kautzky-Willer erläutert: „Diabetikerinnen haben doppelt so häufig wie Diabetiker Depressionen und auch häufiger Essstörungen.“

Das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wird auch durch die Sexualhormone, die Fettmasse und -verteilung beeinflusst. Männer haben mehr viszerales, im Bauchraum angesiedeltes Fett, sind weniger insulinempfindlich als Frauen und unterscheiden sich auch in der Freisetzung von Fettgewebshormonen. Sie haben häufiger ein metabolisches Syndrom, Bluthochdruck und somit ein ungünstigeres kardiovaskuläres Risikoprofil. „Allerdings versterben insgesamt mehr Frauen als Männer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem ist das Vorliegen eines metabolischen Syndroms bei Frauen mit einem noch höheren Anstieg des kardiovaskulären Risikos verbunden als bei betroffenen Männern“, erklärt Kautzky-Willer. Dasselbe gelte auch für den manifesten Diabetes. Die genauen Ursachen dafür seien noch unklar. In jedem Fall könne die Sexualanamnese und Anamnese von Zyklusanomalien oder Schwangerschaftskomplikationen wichtige Informationen über das kardiometabolische Risiko geben, so die Wiener Professorin: „Bei Männern kann eine erektile Dysfunktion auf Insulinresistenz, Diabetes oder eine kardiovaskuläre Erkrankung hinweisen. Bei ihnen ist Übergewicht und Insulinresistenz oft mit einem niedrigen Testosteronspiegel assoziiert, während bei Frauen wiederum hohe Androgenspiegel das Diabetesrisiko erhöhen. So ist auch beim polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS), ein höheres Diabetes- und kardiovaskuläres Risiko beschrieben.“

Das Geschlecht spiele auch bei den Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten, sowie beim Verordnungsmodus mit eine Rolle. „Eine individuelle geschlechtersensitive Schulung und Betreuung sind in jedem Fall ein wesentlicher Bestandteil des Therapieerfolgs in der personalisierten Diabetestherapie“, so Kautzky-Willer.

Quelle:  www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de

„Geteiltes Leid ist halbes Leid“ In Selbsthilfegruppen fühlen Patienten sich informiert und aufgehoben

Selbsthilfegruppen sind für Patienten mit seltenen Krankheiten eine große Hilfe, denn „die Betroffenen werden zwangsläufig Experten in eigener Sache, etwa bei multipler Sklerose“, erklärt Dr. Christopher Kofahl. Der Psychologe erforscht am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf die Wirkung von Selbsthilfegruppen. Jeder Teilnehmer trage zum ständig wachsenden Wissen bei. „Das führt auch dazu, dass Wissenschaftler mit den Gruppen kooperieren“, betont Kofahl. Aber auch bei den großen Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes seien die Selbsthilfegruppen erfolgreich, dort hauptsächlich in der Bewältigung des Lebensalltags, wodurch auch Angehörige der Patienten entlastet werden. Kofahl würde übrigens lieber von „gegenseitiger Hilfe“ sprechen, denn wesentlicher Bestandteil sei ja, dass die Mitglieder etwas von sich preisgeben.

Kontakt: Ruth Pirhalla, pirhalla@wortundbildverlag.de, www.wortundbildverlag.de, www.senioren-ratgeber.de

Diabetes Kongress 2013: Neue Wege in der Ernährung, unbeschwert und bewusst genießenDiabetes

Kohlenhydrate und zuckerhaltige Lebensmittel führen nicht zu Diabetes
Dürfen Diabetiker Fleisch essen? Alkohol trinken? Sich etwas Süßes gönnen? Ja, das dürfen sie – aber in Maßen, nicht in Massen – eben genau wie Gesunde auch. Trotzdem hält sich der Mythos, dass Diabetiker keinen Zucker essen dürfen, hartnäckig. Dabei bekommen Menschen, die gern Süßes essen, nicht häufiger oder schneller Diabetes als andere – auch wenn diese Erkrankung umgangssprachlich oft als „Zuckerkrankheit“ bezeichnet wird.
Früher war Süßes für Diabetiker tabu. Wenn überhaupt, gab es spezielle Diätprodukte als Alternative – Diabetikerschokolade, -kekse oder -marmeladen. Heute gilt das als überholt. Deswegen gibt es auch seit Oktober 2012 keine speziellen Lebensmittel für Diabetiker mehr im Supermarkt.

Moderater Zuckerkonsum erlaubt
Dass Kohlenhydrate und somit auch Süßigkeiten, die Zucker enthalten, der Auslöser von Diabetes sind, ist inzwischen wissenschaftlich widerlegt. Laut den Fachgesellschaften für Diabetes können selbst bei Diabetikern bis zu zehn Prozent des täglichen Energiebedarfs aus Zucker stammen. Wie kann man nun die Krankheit besser in den Griff bekommen beziehungsweise es erst gar nicht dazu kommen lassen, an ihr zu erkranken?

Ein aktiver Lebensstil senkt Diabetesrisiko
Diabetes Typ 2, von dem etwa 90 Prozent der sechs Millionen Diabetiker in Deutschland betroffen sind, ist eine Erkrankung, die eine sogenannte genetische Prädisposition voraussetzt. Früher wurde als Ursache des Diabetes Typ 2 meist ausschließlich die Ernährung herangezogen. Heute weiß man, dass die Ursachen vielfältig sind. Neben der genetischen Grundlage ist sie zum Großteil durch einen ungesunden Lebensstil bedingt, also durch mangelnde Bewegung, Rauchen und Übergewicht.
Insgesamt gilt für Diabetiker bei der Ernährung dasselbe wie für Gesunde: abwechslungsreich und ausgewogen sollte sie sein. Dementsprechend müssen weder Gesunde noch Diabetiker auf Zucker und zuckerhaltige Lebensmittel verzichten. Dies bringt mehr Genuss und Lebensfreude in das Leben der Betroffenen, die aufgrund ihrer Erkrankung oft schon andere Belastungen in Kauf nehmen müssen.

Kontakt: Anne Riese, FORUM ZUCKER, Carl-Reuther-Str. 1, 68305 Mannheim, redaktion@mit-zucker.de